Wie viele andere hab ich den Wei­h­nacht­surlaub über halbtot vor der Com­put­er ver­bracht. Irgend­wo zwis­chen Beta Ein­ladun­gen und Steam Sales bin ich dann auf Anno Online gestoßen, welch­es ich gut 3 Wochen getestet habe. Wer jet­zt wieder das Wür­gen bekommt, wenn er etwas von Browsergames hört, dem sei gesagt, dass sich Anno Online für ein Browsergame erstaunlich gut an die Vor­lage hält. Die Spa­gate, welche Titel wie Sim City Social oder die Siedler Online erbrin­gen müssen, sind hier auf ein Min­i­mum beschränkt.

Das hat gute Gründe. Denn zum einen ist die Grafikgestal­tung — wie man schnell sehen kann — fast 1:1 aus dem Orig­i­nal. Auf irgen­deine pseu­do-casu­al Comic­grafik wird verzichtet. Dafür gibts defin­i­tiv einen Dau­men nach oben. Zum anderen — und das ist natür­lich wichtiger — ist das Spiel­prinzip mit den Wirtschaft­skreis­läufen, den Ansprüchen der Bevölkerung und generell dem kom­plet­ten Aus­bau der Sied­lung ein gutes und stel­len­weise sog­ar verbessertes Eben­bild der Vorlage

Ihr begin­nt mit ein­er Hand voll Rohstoffe, errichtet eine Fis­cherei­hütte, Holzfäller einen Mark­t­platz und Wohnge­bäude. Müsst dabei alles mit Wegen verbinden und ab ein­er gewis­sen Anzahl an Ein­wohn­ern schal­tet ihr neue Gebäude frei, die Ansprüche der Bevölkerung wach­sen und let­z­tendlich kann diese eine neue Bevölkerungsstufe erreichen. 

Doch wo sind denn jet­zt eigentlich die Ele­mente, die ein Browsergame aus­machen? Die beziehen sich in der frühen Phase des Spiels eigentlich nur auf einen speziellen Fak­tor: Die Zeit. Dabei verzichtet der Entwick­ler Blue Byte dank­ender Weise auf Bauzeit­en von Gebäu­den, set­zt dafür aber mas­sive Pro­duk­tion­szeit­en für Bau­ma­te­ri­alien und Steuern ein. Mit anderen Worten: Während die Holzpro­duk­tion im namensgeben­den Spiel aus dem Jahre 2009 so gestal­tet war, dass ein Holzfäller für 1 Holz ger­ade­mal 20 Sekun­den benötigte, ist er in Anno Online schon mehrere Minuten unter­wegs. So sorgt das Spielkonzept —  beson­ders auch man­gel­nder Vor­spul-Funk­tion — dafür, dass ihr unge­fähr 3 Mal am Tag ein­log­gt, durch Bau­maß­nah­men eure Rohstof­flager leert und anschließend mehrere Stun­den wartet, bis wieder genug Bau­ma­te­ri­alien vorhan­den sind.

Damit muss man sich anfre­un­den. Wer sich ein biss­chen im Browsergame­bere­ich ausken­nt ahnt es schon: Natür­lich gibt es im Ingame-Shop Pro­duk­tion­szeitverkürzun­gen und Rohstoffe gegen echt­es Geld. Bei­des lässt sich wie oft auch ohne Geld erre­ichen, aber natür­lich nicht so komfortabel.

Um kurz auf die gelun­gen Neuerun­gen zu sprechen zu kommen:

Zum einen erhält jed­er Spiel­er einen Grundzuschuss von 50 Gold. Die Zeit­en in denen man die ersten Spiel­stun­den ständig nur neg­a­tive Bilanzen aufweist, sind also vor­bei. Lobenswert sind die kleineren Mark­t­plätze, die man auch nachträglich bequem in die Wohn­sied­lun­gen set­zen kann, ohne dafür ein halbes Stadt­teil abreißen zu müssen. Gelun­gen auch die Pro­duk­tion­saufträge, mit deren Hil­fe man — genug Ressourcen voraus­ge­set­zt —  Gegen­stände ähn­lich wie in Anno 2070 her­stellen kann, die die Sied­lung, Schiffe oder einzelne Gebäude verbessern. Und zu guter let­zt, sind Inseln nicht zu beginn vol­lkom­men aufgedeckt, son­dern müssen selb­st dann durch Expe­di­tio­nen erkun­det wer­den, wenn man bere­its auf der Inseln ange­siedelt ist.

anno_online_stadt

Wie gesagt, gibt es allerd­ings auch einige neg­a­tive Aspekte:

Zum einen die Zugänglichkeit. Spätestens wenn man ver­sucht eine weit­ere Insel zu besiedeln, ste­ht man stel­len­weise man­gels Infor­ma­tio­nen und abso­lut umständlich­er Vorge­hensweise blöd da. Hat man in bish­eri­gen Anno-Teilen ein­fach  Baustoffe ins Schiff geladen und das Schiff los­geschickt, ist es in Anno online nicht ganz so ein­fach. Zuerst müsst ihr ein Schiff pro­duzieren. In das Schiff set­zt ihr einen Kund­schafter und schickt es zur Erkun­dung los. Ein paar Stun­den später habt ihr eine neue Insel ent­deckt und das Schiff kehrt zurück. Dann müsst ihr ein weit­eres Schiff pro­duzieren und dort einen Siedler rein­set­zen. Das Sied­lungss­chiff segelt los und besiedelt die vorher erkun­dete Insel. Nun wollt ihr Rohstoffe auf die neue Insel liefern. Dazu benötigt ihr ein 3. Schiff mit einem Händler. Ab jet­zt kön­nt ihr Rohstoffe in das neuste Schiff ver­laden und zur Expan­sion schick­en. Ihr benötigt also 3 ver­schiedene Schiffe, für 3 ver­schiedene Auf­gaben. Umständlich­er ging es wirk­lich nicht mehr.

Aber nun zum gravierend­sten Prob­lem: Man fühlt sich trotz tausender Mit­spiel­er alleine. Kein früher Han­del mit anderen Mit­spiel­ern. Keine Pirat­en, keine gemein­samen Auf­gaben. Ihr hockt wirk­lich die ersten 3 Wochen nur auf eur­er Insel herum und bekommt nur deswe­gen mit, dass es noch andere Spiel­er gibt, weil diese im Chat miteinan­der kom­mu­nizieren. Ist es nicht der große Vorteil eines Browser­spiels, dass tausende Spiel­er gle­ichzeit­ig miteinan­der oder gegeneinan­der in ein­er Welt spie­len? An diesem Grundgedanken schießt Anno Online lei­der meilen­weit vor­bei. Ger­ade der frühe Han­del hätte hier für einiges an Moti­va­tion gesorgt, aber das hätte sich wohl mit dem Rohstof­fkauf im Ingame-Shop gebis­sen. Schade eigentlich.

Aber den­noch bleibt das Spiel eine beson­dere Empfehlung für jeden der Browsergames etwas abgewin­nen kann. Denn abschließend muss man sagen, dass das Spiel recht liebevoll gestal­tet ist und von der ersten Minute an Anno Charme versprüht.