Bild des Grup­penkampfs von Oth­er­dane

Mit­tler­weile sind wir schon im drit­ten Teil meines Leit­fadens angekom­men und nun wird es wohl langsam Zeit mich mit den Flamer-Szenen schlechthin zu befassen. Davon gibt es ins­ge­samt zwei Stück: Das Online-Gam­ing und die “Kri­tik-Flash­mobs” die ihr ver­mut­lich unter dem Namen Shit­storms ken­nen gel­ernt habt. Let­ztere werde ich allerd­ings erst in Teil V mein­er Rei­he behandeln.
Online-Gam­ing — MITeinan­der spielen
Ich denke, dass die meis­ten von euch bere­its Kon­takt mit Online-Mul­ti­play­er­spie­len gemacht haben. Während man vor 15 Jahren meist noch umständlich LAN-Par­ties organ­isieren oder auf Kon­solen zurück­greifen musste, wenn man mit men­schlichen Spiel­ern zusam­men spie­len wollte, geht heute alles bequem von zuhause aus, ohne vorher 5 Kästen Cola und 20 Pack­un­gen Tiefkühlpiz­za zu organ­isieren. Liebe Zeitreisende: Spiele sind heute internetfähig.
Die Aus­gangslage
Das hat natür­lich eine Rei­he von Vorteilen:
Zum einen sinkt der oben ange­sproch­ene Ver­brauch an Fer­tig­nahrung. Zum anderen braucht man in Zeit­en von Quick­match­es und Dun­geon­find­ern nicht erst 10 Fre­unde zusam­men­trom­meln, um gemein­sam Spaß zu haben. Dabei gibt es grob gesagt zwei unter­schiedliche Mul­ti­play­er­arten: Gegeneinan­der und Miteinan­der. MMORPGs wie World of War­craft sind klas­sis­che Beispiele für Spiele, die man gemein­sam MITeinan­der spielt (selb­st wenn man dort übers PvP auch gegeinan­der antreten kann). Es geht hier darum, zusam­men mit tausenden anderen Spiel­ern com­put­erges­teuerte Geg­n­er zu besiegen. Ger­ade kurz nach Release des Spiels ging es noch recht famil­iär mit fre­undlichem Umgangston zu. Man kämpfte zusam­men mit der Gilde — also mit Bekan­nten, Fre­un­den und Familie.
Die Verän­derung
Doch im Laufe der Jahre wur­den schwierige Her­aus­forderun­gen für die bre­ite Masse meis­ter­bar. Das sorgte dafür, dass man keine einegspielte Gilde oder Stam­m­gruppe mehr benötigte, um große Geg­n­er umzuhauen. Man kon­nte ein­fach die ganzen anony­men Gestal­ten, die irgend­wo in der Gegend rum­standen, auf­greifen und mitschleifen. Erle­ichtert wurde das durch Grup­pen­suche­p­ro­gramme, die der eige­nen Gruppe irgendwelche Frem­den zugewiesen haben, die man 1. noch nie im Leben gese­hen hat und 2. auch nie wieder sehen wird. Das sorgte für eine weites­ge­hende Anonymisierung. Und nein, liebe Piraten­partei, in diesem Fall ist das ziem­lich scheiße.
Bei dem Bild läuft Manchem ein kalter Schauer über den Rücken
Die Ursache
Mit Anonym meine ich nicht, dass ich nicht wusste, wer hin­ter dem Mon­i­tor steck­te, wo er wohnte und wie seine Kon­to­dat­en waren, son­dern dass ich nicht wusste, wie er sich als Fig­ur im Spiel ver­hielt bzw. wie er spielte. War er fre­undlich, ein Anfänger, ver­suchte er zu bescheißen, oder belei­digte er andere? Diese Prob­leme hat­te man in Zeit­en der Gilden­grup­pen nicht, da man wusste mit wem man es zu tun hat­te. Begün­stigt wurde diese Anonymität durch 3 Faktoren:
- Gespräche vor dem Grup­pen­beitritt nah­men ab. Man kon­nte im vorhi­nen also nicht fest­stellen, ob die Per­son team­fähig war.
- Die schiere Masse. Unter 11 Mil­lio­nen lebt es sich unerkan­nter, als unter Zweitausend.
- Durch die Masse, die Vere­in­fachung und  die Verkürzung der Spiel­d­auer wurde man selb­st zur Massen­ware und damit aus­tauschbar und damit unwichtig. Kön­nt ihr euch noch an die Namen eur­er let­zten Grup­pen­mit­glieder erinnern?
Die Wirkung
Man war also weites­ge­hend anonym. Wer meine let­zten bei­den Artikel gele­sen hat, oder selb­st mehr als 2 Stun­den im Inter­net ver­bracht hat­te weiß, was das bedeutete: “Guter Ton? Wozu, die seh ich doch eh nie wieder und die wis­sen sowieso nicht, wer ich bin”. Sobald einem irgen­det­was nicht in den Kram gepasst hat­te, wurde geschimpft und belei­digt. Die Gruppe ist etwas langsam? Belei­di­gung! Ein ander­er hat die Beute bekom­men? Beschimp­fung! Man selb­st hat einen Fehler gemacht? Kann nicht sein! Die anderen sind schuld! Beleidigung!
Wenn die Runde nicht so läuft wie erwartet, regt sich nahezu jed­er auf. Mich eingeschlossen. Allerd­ings sinkt mit der Zunahme der Anonymität die Hemm­schwelle dafür, sich selb­st Luft zu machen und anderen die eigene Mei­n­ung ins Gesicht zu drück­en. Selb­st wenn man mal keinen in der Gruppe hat­te, der meinte andere belei­di­gen zu müssen, war es doch oft so, dass die Abs­tump­fung andere Opfer gefordert hat­te. Nach 6 Jahren bekam ich als neues Grup­pen­mit­glied noch nicht ein­mal ein “Hal­lo” zur Begrüßung. Man spielte still schweigend nebeneinan­der, bis die Auf­gabe bewältigt war. Reden wurde hier als störend angesehen.
Die Lösung
Nun, da gab es eine frus­tri­erende und eine funk­tion­ierende Lösung. Die frus­tri­erende war: Der Unfre­undlichkeit zum trotz selb­st immer fre­undlich zu bleiben. Man betrat die Gruppe, begrüßte alle. Ver­suchte zwis­chen den Kämpfen etwas Kon­ver­sa­tion zu betreiben — was meist der Zeit­punkt war, an dem man aufge­fordert wurde die Klappe zu hal­ten, weil Reden Zeitver­schwen­dung sei — und bedank­te sich am Ende bei allen. Das wird den ein oder anderen zwar ermuti­gen sich genau­so zu ver­hal­ten und damit das Spielk­li­ma verbessern — wird bei mil­lio­nen von Spiel­ern aber doch etwas zeit­in­ten­siv­er sein.
Jedem frus­tri­erten Spiel­er rate ich deswe­gen zu fol­gen­dem: Kon­tak­te knüpfen und sich der alten Zeit­en Willen mit Bekan­nten, Fre­un­den und Fam­i­lie organ­isieren. War jemand fre­undlich zu euch — set­zt ihn auf eure Fre­un­desliste. Ver­sucht Gespräche zu führen, um zu erken­nen, was für ein Men­sch vor euch ste­ht und arbeit­et solange weit­er an euren Kon­tak­ten, bis ihr ein Net­zw­erk geschaf­fen habt, durch das es nicht­mehr notwendig ist auf Unbekan­nte zurückzugreifen.