Nach meinen bei­den eher kri­tis­chen Beiträge über Nev­er­win­ter Online <Nev­er­win­ter First Look und Nev­er­win­ter Grün­der­paket> wollte ich dem Spiel doch noch eine Chance geben — vielle­icht lags auch an meinem Ver­lan­gen danach mal wieder ein MMORPG zu spie­len, wo derzeit lei­der abso­lut tote Hose ist. Unglück­licher­weise kon­nte das Spiel dieses Ver­lan­gen nicht mal ansatzweise befriedi­gen. Aber mehr dazu später. Ich habe die Einzel­heit­en in ein­er klas­sis­chen Pro und Con­tra Liste zusam­menge­fasst. Die Leit­frage ist hier, wann man Nev­er­win­ter Online spie­len und wann man lieber die Fin­ger davon lassen sollte.

Pro: Die Innovationen

Es gibt sie doch noch: Die Inno­va­tio­nen im MMO Bere­ich. Nev­er­win­ter Online kann hier mit ein paar Kleinigkeit­en und etwas Großem punk­ten. Zu den Kleinigkeit­en gehört etwa das Berufesys­tem. Das ist ähn­lich wie das Sys­tem, welch­es Star Wars the old Repub­lic ver­wen­det. Ihr stellt euer Zeug also nicht selb­st her, son­dern habt eure ‑öhm- Lakaien, die ihr auf Mis­sio­nen schickt oder denen ihr Arbeit­saufträge gebt. Nach weni­gen Minuten bis mehreren Stun­den erhal­tet ihr dann euer Pro­dukt in Form von Gegen­stän­den, Erfahrungspunk­ten oder Geld. Dabei kön­nt ihr mit auf­steigen­dem Lev­el immer mehr Helfer gle­ichzeit­ig loss­chick­en, die durch jeden Auf­trag selb­st Erfahrung sam­meln und im entsprechen­den Beruf im Lev­el auf­steigen und so neue Bau­pläne / Mis­sio­nen freis­chal­ten. Das beson­dere hier, ist dass man dazu nicht im Spiel sein muss. Mit­tler­weile kann man seinen Mitar­beit­ern auch über Brows­er wegschick­en oder in Emp­fang nehmen. Gle­ichzeit­ig darf man Gegen­stände auch über den Brows­er im Auk­tion­shaus verkaufen oder kaufen. Lei­der kann man aber keine Gegen­stände (z.B. Ressourcen) im Auk­tion­shaus kaufen und ins eigene Inven­tar ver­fracht­en, um sie weit­er zu ver­wen­den (z.B. Pro­duk­tion). Das sollte Per­fect World noch ändern.

 neverwinter-online-screen-2

Aber die Galions­fig­ur des Spiels ist defin­i­tiv die Foundry. Die Foundry ist ein Lev­el und Mis­sionsed­i­tor mit dem ihr eigene Mis­sio­nen erstellen kön­nt und diese dann den restlichen Spiel­ern zu Ver­fü­gung stellt. Das hört sich nicht nur cool an, das ist es auch. Und dadurch dass das Spie­len der Foundry-Mis­sio­nen mit Gegen­stän­den, Gold und ein­mal am Tag mit Astral­dia­man­ten (eine der bei­den Pre­mi­umwährun­gen) belohnt wird, kann man sich­er sein, dass andere Spiel­er in den Genuss der Selb­st­bau­mis­sio­nen kom­men und anschließend ihr Feed­back abgeben. Jeden­falls sofern die Mis­sion die offiziellen Richtlin­ien erfüllt.

Pro: Kampfsystem und Grafik

Das Kampf­sys­tem und die Grafik sind zwei Dinge, die mir äußerst wichtig sind. Sog­ar so wichtig, dass ich durch diese bei­den Punk­te mit­tler­weile kein Inter­esse mehr an spie­len wie Everquest oder World of War­craft besitze. Ver­matschte Tex­turen und sta­tis­ches, dummes auf die Tas­ten hauen sind zumin­d­est in Nev­er­win­ter pasé. Das Tre­f­fer­feed­back ist sehr gut gelun­gen. Hin­ter jedem Angriff steckt eine gewisse Wucht. Die ist zwar natür­lich noch nicht so aus­geprägt wie in Beat ‘em ups, aber für ein MMO / RPG schlägt (haha Wortwitz) sich Nev­er­win­ter Online richtig gut. Auch die Tat­sache, dass es keine nut­zlosen Fähigkeit­en gibt, son­dern ähn­lich wie in Guild Wars 2 jedes Fähigkeit­en-Set seine Vor- und Nachteile mit sich bringt funk­tion­iert sehr gut.
 
Grafisch ist das Spiel ansprechend. Scharfe Tex­turen, gute NPC / Spiel­er­mod­els. Einzig und alleine die Weit­sicht und die grafis­che Abwech­slung lassen zu wün­schen übrig. Denn hier kom­men wir zum ersten Negativpunkt:

 neverwinter-online-screen1

Contra: Eintönige Schlauchlevels

Denn das Mapde­sign ist lei­der richtig schlecht. Nir­gend­wo gibt es ein­prägsame Orte. Kein Kinnladen-herunter-klap­pen. Ich bin durch min­destens 20 Kanal­i­sa­tio­nen gelatscht, die alle irgend­wie gle­ich aus­sa­hen. Das habe ich ja auch in meinen anderen Beiträ­gen kri­tisiert. Und daran hat sich lei­der nach wie vor nichts geän­dert. Alles viel zu generisch. 
 
Dazu gesellen sich lei­der noch Relik­te aus lang-ver­gan­genen Zeit­en: Schlauch­levels. Wer sich in einem MMO eine offene Welt wün­scht, der ist in Nev­er­win­ter Online so falsch, wie ein Fußball­fre­und in einem Formel 1 Spiel. Man wech­selt im Spiel nur von Instanz zu Instanz bzw. Dun­geon zu Dun­geon. stets begren­zen Mauern oder Hügel den Weg, sodass es eigentlich immer nur eine Rich­tung gibt. Und genau diese Begren­zung in Verbindung mit gener­ischen Schlauch­levels sind der absolute Atmosphärekiller.
 

Contra: Anspruchslosigkeit

Das Spiel hat das gle­iche Prob­lem, wie viele anderen RPGs, die Klassen- bzw. Tal­ent­bäume ver­wen­den, auch. Statt wirk­lich etwas Tief­gang und Spaß in die Tal­entverteilung zu brin­gen, heißt es nur: 5% mehr Tre­f­fer­punk­te hier, 10% mehr Schaden da. Bei sowas Frage ich mich, wieso das ver­has­ste Dia­blo 3 eines der weni­gen mod­er­nen Spiele ist, die hier den Spielspaß und nicht die Sta­tis­tik Einzug in die Tal­entverteilung lassen?
 
War aber dachte, die Klassen­bäume seien anspruch­s­los, hat noch keinen Grup­pen­dun­geon oder das PvP in Nev­er­win­ter Online gese­hen. Es gibt in dem Spiel eine gewisse Tak­tik: Auf den Geg­n­er zulaufen und ein­fach drauf­moschen. Hat man mal 2 Grup­pen zu viel gepullt — kein Prob­lem — dann met­zelt man die im Vor­beige­hen eben auch nieder. Auch die Bosskämpfe sind hochkom­plex: Jed­er Boss ruft von Zeit zu Zeit Ver­stärkung und man muss aus dem roten Bere­ich auf dem Boden raus­ge­hen. Das ist so unspek­takulär, dass ich tat­säch­lich viele Töte X Quests außer­halb der Dun­geons inter­es­san­ter fand, als 30 Minuten Gruppendungeon.

Aber das PvP set­zt dem Ganzen die Kro­ne auf. Es gibt 3 Kon­trollpunk­te auf ein­er kleinen Karte, die es zu erobern gilt. Die Karte ist eine — wie sollte es auch anders sein — sehr schlauch-för­mige 5vs5 Karte. Zwei Kon­trollpunk­te liegen an den Spieler­basen und ein­er in der Mitte der Karte (10 Sekun­den Fußweg von der Basis aus ent­fer­nt). Das Team welch­es den mit­tleren Punkt hält und abschot­tet gewin­nt. Ein Vor­beis­chle­ichen, um die Punk­te im Hin­ter­land zu erobern, ist auf­grund des engen Lev­els so gut wie unmöglich. Schafft man es doch, ste­hen inner­halb von 5 Sekun­den mehrere Geg­n­er vor einem, die einen sofort niederknüp­peln und den Punkt wieder zurücker­obern. Hier zeigt sich ganz deut­lich, dass die Lev­elde­sign­er von Per­fect World schlicht kein­er­lei Ahnung haben.
 
Das Lev­elde­sign ist das größte Manko im Spiel und zieht den Spielspaß gehörig runter. Und das obwohl Per­fect World sehr viele gute Ideen besitzt und auch das Finanzierungsmod­ell recht fair ist. So hin­ter­lässt Nev­er­win­ter Online ein recht zwieges­paltenes Fazit.