Spätestens seit Montag kochen wieder einmal die Emotionen hoch, wenn es um Kunst- und Meinungsfreiheit bzw. Beleidigung geht. Es gab zwar keine Anschläge und auch waren dieses Mal keine Religionen oder Flüchtlinge im Fokus. Nein, es ging um einen Comedian und um einen türkischen Staatspräsidenten. Jan Böhmermann hat schon wieder über die Stränge geschlagen… Oder doch nicht?
Die Kurzversion sieht folgendermaßen aus
Die Sendung Extra 3 hat eine Satire über den türkischen Präsidenten Erdogan veröffentlicht, in dem sie vor allem seine Einschränkungen in Sachen Meinungs- und Pressefreiheit sowie der Menschenrechte anprangert. Erdogan hatte daraufhin stocksauer den Deutschen Botschafter einbestellt – wohl bemerkt, wegen einer Satiresendung in Deutschland. Jan Böhmermann hat diesen „Kindergarten“ zum Anlass genommen, nochmals eine Schippe draufzulegen. Er „zeigte“ in seinem NEO Magazin Royal den Unterschied zwischen Satire (erlaubt) und einer Schmähung/Beleidigung (verboten) auf. In einem exemplarischen Schmähgedicht bezeichnete er Erdogan als schwul, Ziegenficker, kleinschwänzig, etc. Die Folge des NEO Magazins wurde kurz nach der Ausstrahlung aus der Mediathek genommen. Erdogan reichte gegen Böhmermann Klage wegen Beleidigung ein. Sowohl direkt vor dem Gericht (Ziviliklage) als auch über die Bundesregierung (Strafverlangen). Böhmermann drohen dadurch theoretisch bis zu 3 Jahren Haft.
„Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft“
§ 185 StGB
„Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Meine Meinung
In den letzten paar Tagen habe ich mir zahlreiche Artikel zum Thema durchgelesen und mir auch immer wieder Gedanken darum gemacht, wie denn meine Meinung dazu aussieht. Denn einerseits denke ich, dass Satire eben nicht alles darf. Sie darf nicht plump beleidigend sein – also so wie Böhmermanns Schmähgedicht. Sie darf auch nicht volksverhetzend sein. Es muss immer eine politische / gesellschaftliche Kritik im Vordergrund stehen und nicht das Verletzen von anderen Menschen. Sonst haben wir auf extremistischen Veranstaltungen bald keine „Politiker“, „Hassprediger“ oder „Volksverhetzer“ mehr auf den Bühnen, sondern nur noch Satiriker, die zwar über die Abschlachtung ganzer Bevölkerungsgruppen fantasieren, aber das alles nicht so meinen – weils ja „Satire“ ist.
Das Problem im Fall Böhmermann ist jedoch, dass man das Gedicht nicht für sich getrennt betrachten darf, sondern den (satirischen) Kontext berücksichtigen muss. Das macht meiner Meinung nach das Gedicht zwar nicht schöner, denn ich halte es immernoch etwas für unter der Gürtellinie, aber wahrscheinlich legaler. Denn es ging eben nicht um eine plumpe Beleidigung, sondern viel mehr um übertriebene Provokation, in dem man die Grenzen der Satire aufzeigt. Böhmermann hat es hier wohl etwas übertrieben, aber deswegen zu Klagen und sogar noch die Bundesregierung miteinzuspannen, halte ich für hochgradig lächerlich. Natürlich ist eine Beleidigung eine Straftat. Aber mal ernsthaft: Welcher Schmock zieht wegen einer Beleidigung vor Gericht? Oder macht ne Staatsaffäre daraus? Ich kann auch nicht verstehen, wie man als Staatsmann /-frau so dünnhäutig sein kann. Den ganzen Tag austeilen, aber wenn einem Kritik entgegenschwingt, wird sofort geklagt, verhaftet oder niedergeknüppelt.
Auch sollte man sich mal die Paragrafen bezüglich des Strafverlangens genauer betrachten. In den Paragrafen geht es um Majestätenbeleidigung. Also der Beleidigung eines Staatsoberhauptes (auch wenn dieses im Ausland regiert). Und genau diese Beleidigung wird sehr viel härter bestraft als wenn ich meinen Nachbarn beleidigen würde. Solche Paragrafen erwartet man vielleicht im Mittelalter, aber doch nicht mehr in unserer heutigen Zeit. Wundert mich ehrlich gesagt, dass im Paragrafen vom „Gefängnis“ und nicht vom „Kerker“ oder „Tod durch Guillotine“ die Rede ist.
Zusammenfassend würde ich sagen, dass die Bundesregierung das Strafverlangen ablehnen sollte und das zivilirechtliche Verfahren wegen Nichtigkeiten eingestellt werden sollte. Sonst haben wir hier bald nur noch Klagen, weil sich einer wegen einem Behindertenwitz oder einer politischen Satire beleidigt fühlt. Aber schön zu sehen, wie viele Politiker damals im Fall Charlie Hebdo noch von Freiheitsrechten sprachen und jetzt überlegen, einen Satiriker im eigenen Land vor Gericht zu zerren.
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