Folgenden Text hatte ich vergangene Woche auf Facebook gefunden:
Antwortest du mit „Immerhin geht man dadurch mal wieder raus.“ wenn dich deine Mitmenschen für deine Teilnahme an Pokemon Go kritisieren? Es ist ziemlich absurd. Da brauchst du ein Spiel um vor die Tür zu gehen. Ein Spiel, dass dir über eine Kamera ein Bild auf dem Display einblendet, um eine 3D-Abbildung eines Pikachus darüber zu legen. Abhängig von den Neigungsdaten die dein Smartphone ermittelt. Du beschäftigst dich lieber mit einer virtuellen Figur, statt deine Umgebung zu beobachten. Vielleicht wäre dir aufgefallen, dass in dem kleines Fluß an dem du neulich saßt, Riedlinge (Süßwasserfische 😉 ) in Ufernähe zu sehen waren. Doch du warst leider so sehr damit beschäftigt, ein Karpador auf deinem Smartphone zu fangen, dass du das gar nicht mitbekommen hast.
Wird schon okay sein, dass du einmal im Jahr 18 Euro für ein Zooticket ausgibst, um echte Fische sehen zu können. Ist auch nicht wenig Zeit, die du mit deinem gesammelten Pokemons verbringst. Du könntest in der gleichen Zeit natürlich auch eine Betreuungspatenschaft für ein Tier im Tierheim übernehmen, wie es das Tierheim Leipzig (https://www.tierheim-leipzig.de/UBPatenschaft.aspx) anbietet. Und statt der 4,99 EUR die du für Pokemünzen regelmäßig ausgibst, könntest du damit einen Napf füllen. Es werden leider immer noch viel zu viele Tiere angeschafft, die dann später im Tierheim landen. Ist aber auch echt beschissen, dass so ein Bernhardiner sich nicht in einem kleinen Ball verstauen lässt, wenn er gerade mal lästig ist. Oder?
Dieses Spiel möchte von dir drei Dinge:
(1) Deine Geopositionsdaten, die sich in einer Massenauswertung für andere Produkte monetarisieren lassen.
(2) Einen Teil deiner Lebenszeit.
(3) Dein Geld, um die Entwicklungs- und Betriebskosten zu decken, idealerweise mit einem Gewinn oben drauf.
Brauchst du dieses Spiel wirklich? Ist es nicht wie all die anderen Pay-to-Win-Games auch, die irgendwann vom Smartphone gelöscht werden? Möchtest du Zeit und Geld investieren, um kurzzeitig in einem Ranking weiter oben zu stehen? Hast du Kinder? Spiel mit deinen Kindern. Hast du Haustiere? Mach was mit deinen Haustieren. Du hast Urlaub? Nutze ihn sinnvoll. Deine Großeltern hast du schon länger nicht mehr besucht? Besuch sie, aber bitte nicht um herauszufinden ob in Omas Küche ein Glurak im Backofen wohnt!
Wozu führt es, wenn du auf Pokemon Go verzichtest? Der / Die gutaussehende Mann / Frau der / die an dir vorbeiläuft schaust du in die Augen, statt auf dein Display. Du siehst wieder Autofahrer und Klippen bzw. Brücken von denen man stürzen kann. Du wirst umsichtiger und weichst auch mal wieder Menschen aus, die auf dich zulaufen. Beim nächsten Spaziergang durch den Park fallen dir die Eichhörnchen auf. Du entscheidest. Willst du ein Mensch oder ein Smombie im Auftrag von Niantic Labs sein? ——-
Anmerkung: Ich stehe speziell Pokemon Go skeptisch gegenüber. Mit fadenscheinigen Begründungen wird die Teilnahme am Spiel gerechtfertigt und das echte Leben übersehen. Mich stört die falsche Wertschätzung von Zeit und Leben – auch fremden Lebens. Ich möchte kein Verbot von Pokemon Go, sondern Menschen die sich und ihre Umwelt wieder bewusster wahrnehmen. Danke für Ihre Zeit und Aufmerksamkeit!Philipp Gensel
Ich versuche da immer beide Seiten einer Medaille zu sehen. In manchem hat er sicherlich recht. Und auch wenn einem manche Konsum-Moralapostel in den sozialen Medien häufig auf den Zeiger gehen, sind viele der Kritikpunkte trotzdem richtig.
Meine Antwort auf seinen Text möchte ich euch deswegen nicht vorenthalten:
„Ich brauche kein Spiel, um vor die Tür zu gehen und halte es auch für eine falsche Einstellung bzw. – wie du sagst „fadenscheinig“ – das als Argumentation für den Spaziergang heranzuziehen. Aber ich sehe das Ergebnis auch sehr pragmatisch.
Bei mir im Fitnessstudio gibt es auch nur 5% da da drin sind, weil sie ihrem Körper etwas gutes / gesundes tun wollen. Dem Rest geht es nur um den Knackarsch, die Muskelmasse oder das Sixpack. Da kann ich genau so sagen: Leute, falsche Prioritäten! Oder aber ich akzeptiere es und freue mich, dass jeder von denen – aus welchen Gründen auch immer – gegen Hohlkreuz oder Übergewicht kämpft.
Du musst aber auch zugeben, dass du in deinen Beispielen nur einen kleinen Teil aller Pokemonspieler beschreibst. Die meisten achten auf den Verkehr / Klippen. Und die wenigstens werden wegen diesem Spiel wohl kaum die wirklich wichtigen Dinge im Leben (z.B. Familie) vernachlässigen.
Hinweise man sollte die Zeit doch lieber mit der Oma verbringen und das Geld sei im Tierheim doch besser aufgehoben, halte ich für Totschlagargumente, welche leider viel zu häufig von Konsumkritikern hervorgebracht werden. Dieser Argumentation nach, müsste ich fast 24 Stunden am Tag nur mit meiner Oma verbringen und müsste in „Lumpen“ (Überspitzung) durch die Gegend laufen, wenn ich fast mein ganzes Gehalt der Wohlfahrt spende, weil die schließlich wichtiger als ein Videospiel und die meisten anderen Dinge ist.
Ich bin mir sicher, dass du auch genügend vergleichsweise „unnötigen Firlefanz“ kaufst, anstatt alles, was du nicht zum Überleben brauchst, für höhere Zwecke einzusetzen. Das heißt nicht, dass deine Kritik haltlos ist oder es dich unglaubwürdig macht. Das bedeutet nur, dass ich die Entrüstung über die Geld- / Zeitverschwender, die du hier präsentierst, nicht nachvollziehen kann.“
Da PokémonGo ja derzeit sehr gehyped ist und es deswegen auch sehr viel Gegenwind erhält, würde mich mal interessieren, wie ihr die Sache seht? Gwyn hatte ja bereits vor einigen Tagen ihre Meinung geschildert: PokémonGo auf Gwyngaming.
Nonsense Entertainment, Levelup-Gaming und Nerd-Wiki haben sich ebenfalls mit dem Spiel auseinandergesetzt.
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