Bin ich eigentlich der Einzige, der in den let­zten 15 Jahren regelmäßig Zeitung gele­sen hat? Die 6 mio. Straftat­en in Deutsch­land, die jährlich in der Krim­i­nal­sta­tis­tik auf­tauchen (und zwar schon seit Jahrzehn­ten) sind sich­er nicht aus der Luft gegrif­f­en. Nur hat sich in den let­zten Jahren kaum ein Schwein dafür inter­essiert, weil ein Großteil der Straftat­en (und dazu zählen auch Mord und Totschlag) nicht poli­tisiert wur­den und damit nur von weni­gen wirk­lich wahrgenom­men wurden.

Messer im Rücken? Die Politik war schuld!

Heutzu­tage gibts bei jed­er Messer­stecherei erst­mal tage­lange Diskus­sio­nen, ob der Angriff islamistis­che Hin­ter­gründe hat­te. Für jeden Schwach­mat­en, der Selb­st­mord bege­ht und dabei Men­schen mit in den Tod reißt, wird die Poli­tik (Danke, Frau Merkel!!!!) ver­ant­wortlich gemacht. Und bei dem Per­versen, der seinen Schniedel im Schwimm­bad zeigt, wird erst­mal über­prüft, obs ein Aus­län­der war.

Solche Schwachsinns­diskus­sion gibts aber nicht nur um größeren Maßstab. Auch in mein­er Heimat­stadt wird unter jedem Polizeibericht kom­men­tiert, dass “das ja immer schlim­mer wird und man gar nicht mehr unbe­waffnet auf die Straße gehen kann”. Da frag ich mich ern­sthaft, ob die Leute die let­zten 40 Jahre gepen­nt haben. Die all­ge­meine Krim­i­nal­ität­srate ist in den let­zten Jahrzehn­ten unge­fähr gle­ich geblieben. Nur wurde vor 10 Jahren nicht jed­er abge­tretene Autospiegel in ein­er 80.000 Ein­wohn­er­stadt an die große Glocke gehängt. Es gab keine sozialen Medi­en, die täglich von Hinz und Kunz genutzt wur­den und wo sich Nachricht­en in Winde­seile verbreiteten.

Stattdessen taucht­en die Polizeiberichte eher als Rand­note in den Zeitun­gen auf, die nur von ver­gle­ich­sweise weni­gen Men­schen über­haupt gele­sen wur­den. Heutzu­tage stellt man eine Mel­dung ins Net­zt und kann je nach Aus­maße der Straftat sog­ar erwarten, dass Leute am anderen Ende des Globus darauf aufmerk­sam wer­den. Ist die The­matik noch dazu poli­tisch brisant, hält sich das The­ma wochen­lang in den Nachricht­en. In 2013 gab es 1.500 Straftat­en auf dem Okto­ber­fest. Wen hats gejuckt? Nie­man­den. Aber wir wis­sen alle, dass wenn in ein paar Wochen auf den diesjähri­gen Wiesn auch nur ein Flüchtling irgen­dein­er Frau an die Brüste fasst, die sozialen Medi­en wieder Sturm laufen wer­den — Ewige Diskus­sio­nen zwis­chen “Gut­men­schen” und “Nazis”. Nach weni­gen Minuten melden sich auch wieder ein­schlägige Poli­tik­er zu Wort und fordern den Rück­tritt von XY, geschlossene Gren­zen oder den Ein­satz der Bun­deswehr beim Okto­ber­fest 2017.

Unsicherheitsgefühl durch ständige Thematisierung

In Kon­se­quenz durch das ständi­ge Bre­it­treten der Medi­en jed­er einzel­nen Straftat, wirkt es selb­st bei unpoli­tis­chen Lesern so, als wür­den vor der eige­nen Haustür nur noch Mord und Totschlag herrschen. Immer­hin über­schla­gen sich ja auch derzeit die Mel­dun­gen über irgendwelche Gestörten, die unschuldige Men­schen töten. Let­z­tendlich gehören diese 12 Toten der ver­gan­genen Tage aber “auch nur” zu den anderen über 1.000 Getöteten, die wir jedes Jahr tragis­cher­weise verze­ich­nen müssen. Wenn ich wollte kön­nt ich ab mor­gen jeden Tag 2–3 Mel­dun­gen darüber brin­gen, dass irgend­je­mand in Deutsch­land jemand anderen umge­bracht hat. Wenn ich ab mor­gen täglich über Morde berichte, bleibt die sta­tis­tis­che Wahrschein­lichkeit selb­st Opfer zu wer­den im Ver­gle­ich zu gestern zwar gle­ich hoch. Aber unser Gefühl über die Sicher­heit verän­dert sich gravierend — das ist auch der Grund, weshalb viele den Medi­en und der Poli­tik bewusste oder unbe­wusste Panikmache vorwerfen.

Kriminalstatistik 2015

Man muss an dieser Stelle aber auch berück­sichti­gen, dass die ständi­gen Mel­dun­gen über Amok­läufe und Ter­ro­ran­schlä­gen viele ani­mieren, die auch gerne medi­ale Aufmerk­samkeit durch den Mord an Unschuldigen hät­ten — also weit­ere Ter­ror­is­ten oder Amok­läufer und seien es nur Trit­tbret­tfahrer. Genau aus diesem Grund verurteile ich auch ger­ade die stat­tfind­ente Sen­sa­tion­s­geil­heit der Presse. Da wird gemut­maßt, die halbe Lebens­geschichte der Täter aufgerollt und der Fre­un­deskreis befragt. Tatvideos wer­den ins Netz gestellt und Auszüge aus dem Beken­ner­schreiben veröf­fentlicht. Und der Täter hat damit genau das erre­icht, was er erre­ichen wollte. Während sich die Bevölkerung aus Angst vor der Krim­i­nal­ität zuhause ver­steckt: Man kön­nte ja zu den 0,000(…)1 % gehören, die durch einen Geis­tes­gestörten Erstochen wer­den. Vielle­icht soll­ten wir alle ein­fach mal die Füße still halten.