Mastodon

Mastodon: Tolle Idee, schwierige Community

Seit gut zwei Monaten verbringe ich täglich Zeit auf Mastodon, nachdem ich Twitter und Facebook den Rücken gekehrt habe.

Wie funkioniert Mastodon?

Mastodon versteht sich genauso wie viele andere Soziale Medien als Microblogging-Dienst. Ihr folgt also anderen Personen, baut ein Netzwerk auf, schreibt kurze Textnachrichten, Videos oder Bilder und teilt diese in euren Netzwerk oder unter Verwendung von Hashtags auch mit Leuten außerhalb eures Netzwerks. Im Unterschied zu Twitter besitzt Mastodon weltweit unzählige Instanzen der Plattform, die als verschiedene und autonome Servercommunities funktionieren. Jede dieser Instanzen spricht eine bestimmte Zielgruppe an und da jeder, der einen eigenen Server hat, Mastodon einrichten kann, können damit auch jederzeit und schnell weitere Instanzen kreiert werden. Wer möchte, kann sich Mastodon also auf seinem eigenen Server installieren und sich selbst als Nutzer dort registrieren. Dann ist z.B. das Thema Datenschutz kein Problem mehr, weil man die eigenen Daten auf dem eigenen Server liegen hat.

Der Clou an der Sache ist, dass man jederzeit auch mit Personen kommunizieren kann, die sich auf anderen Instanzen befinden. Denn diese einzelnen Servercommunities sind miteinander vernetzt. Ihr könnt also Beiträge von Personen lesen, die sich auf einer ganz anderen Instanz befinden, ihnen folgen und umgekehrt natürlich auch.

Darüber hinaus könnt ihr eure Instanz jederzeit mit Sack und Pack wechseln. Wenn euch also eure Instanz nicht mehr gefällt, weil ein wahnsinniger Milliardär die Instanz aufgekauft hat und so ziemlich alles an die Wand fährt, dann könnt ihr mit wenigen Schritten eure Instanz mitsamt eurer gesamten Inhalte (Beiträge, Follower, etc.) wechseln. Dazu müsst ihr auf eurer neuen Instanz lediglich einen neuen Account erstellen, von eurem neuen Account eine Verlinkung zum alten Account durchführen und vom alten Account eine Weiterleitung zum neuen Account einrichten. Zum Schluss muss nur noch die Liste mit euren „gefollowten“ Accounts abgespeichert und in den neuen Account importiert werden. Alles in allem also eine Sache von knapp 3 Minuten.

Darüber hinaus werden die Nachrichten bei Mastodon anders als bei Twitter nicht nach einem Algorithmus sortiert, der im Endeffekt dafür sorgt, dass viele Nachrichten untergehen, weil gerade wieder irgendwo ein Shitstorm am Laufen ist, der häufig geklickt und kommentiert wird. Stattdessen werden die Nachrichten ganz oldschool in chronologischer Reihenfolge aufgeführt.

Nachteile des Systems?

Dieses System hat natürlich auch einige Nachteile, die ich bereits selbst zu spüren bekommen habe. Zum einen habe ich recht früh meine Instanz „gametoots.de“ wechseln müssen, weil der Instanzen-Server öfter stundenlang nicht erreichbar gewesen ist. Klar: Steckt alles in der Hand eines Großkonzerns, sind Serverschwierigkeit eher die Ausnahme. Machen das aber Privatleute, unentgeltlich als Hobby auf kleineren Servern, dann kann es schonmal vorkommen, dass ein paar Stunden lang gar nichts mehr geht, weil eben keine 200 Technikerinnen und Techniker parat stehen, wenn mal was nicht funktionieren sollte.

Auch das Wegfallen das Algorithmus hat so seine Nachteile. Denn auch wenn ich die chronologische Darstellung der Beiträge weiterhin bevorzuge, merke ich bei gerade mal 30 Accounts denen ich folge, dass ich oft mit dem Lesen kaum hinterherkomme. Meist sitze ich abends 20 Minuten in der Badewanne und versuche alle Beiträge der letzten 24 Stunden zu lesen. Spätestens wenn ich irgendwann mal 100 Accounts folge (und das sind auch nicht wirklich viel, immerhin hat Mastodon derzeit 1,3 aktive Mitglieder) werde ich wohl kaum noch alle Beiträge lesen können. Da gehen dann vielleicht einige eher wichtigere Nachrichten schnell unter, weil es keinen Algorithmus mehr gibt, der die größeren Nachrichten oben platziert.

Die Aktivitäten auf Mastodon nehmen immer weiter zu Die Aktivitäten auf Mastodon nehmen immer weiter zu

Wie stehts um die Community?

Abseits der ganzen Technik ist die Community für mich das wichtigste Thema. Wie oben bereits beschrieben, ist es gar nicht so relevant welcher Instanz ihr beitretet, da die Instanzen untereinander vernetzt sind. Eure Community setzt sich also eher dadurch zusammen, wem ihr folgt. Das ist ersteinmal gut, denn man sucht sich natürlich Leute aus, mit denen man sich gerne austauscht. Letztendlich kommt ihr aber nicht drum rum auch immer wieder Beiträge von Leuten zu lesen, denen ihr nicht folgt. Sei es, weil ihr nach bestimmten Hashtags sucht, weil ihr schauen wollt, was in eurer Instanz noch so veröffentlicht wird oder einfach weil jemand dem ihr folgt, einen Beitrag teilt oder unter seinem eigenen Beitrag in ein Gespräch verwickelt wird.

Dadurch lernt man schnell weitere nette Leute kennen. Andererseits konnte ich so aber auch schnell feststellen, dass sich die Mastodon-Community leider nicht wirklich von den anderen Social-Media-Communites unterscheidet.

Es hat keine zwei Tage gedauert, bis ich den ersten Zoff mitlesen konnte. Nach drei Tagen stellte ich fest, dass Mastodon auch von vielen politischen und gesellschaftlichen Hardlinern bevölkert ist, die auf ihrem heiligen Kreuzzug gegen irgendetwas oder irgendjemanden regelmäßig alles und jeden anpampen, der nicht mit ihren Ansichten konform ist.

Und nach zwei Wochen stellte ich fest, dass es auf Mastodon en Vogue ist, regelmäßig damit zu drohen, andere Leute zu „entfollowen“, wenn sie XY nicht machen oder zuviel Content Z posten. Und damit meine ich jetzt nicht, dass hier jemand strafbare Inhalte veröffentlicht und dafür angemeckert wird. Nein, ich rede davon, dass jemand ein Bild postet und  anschließend zahlreiche wütende Kommentare und Unfollow-Drohungen erhält, weil er vergessen hat (oder es nicht wusste), dem Bild eine Beschreibung hinzuzufügen, damit Menschen mit Sehbehinderung sich das veröffentlichte Bild von einem Softwareprogramm beschreiben lassen können. Und die Kommentare ergehen dann natürlich nicht als freundlicher Hinweis, sondern extrem pampig.

Nach gut zwei Monaten kann ich also festhalten, dass mir Mastodon grundsätzlich mehr zusagt als Twitter & Co. Letztendlich wird man aber schnell ernüchternd feststellen, dass die allgemeine Idioten-Dichte auch in Mastodon nicht besonders niedrig ist. Wer also das Hauptproblem in anderen Social-Media-Diensten in den Menschen sah, der wird vermutlich auch bei Mastodon das ein odere andere mal genervt das Handy weglegen müssen.

 

 


Kommentare

2 Antworten zu „Mastodon: Tolle Idee, schwierige Community“

  1. Ich bin jetzt seit etwas über vier Monaten bei Mastodon und so ganz heimisch fühle ich mich noch nicht, wenn ich ehrlich bin. Ich muss aber auch zugeben, dass ich nebenher auch noch immer Twitter nutze. Wobei ich jedoch versuche, nicht einfach nur immer den Inhalt zu spiegeln, sondern mir dort ein eigenständiges Profil zu geben und eine „neue“ Bubble aufzubauen. Ich habe mich dort zum Beispiel auch auf die deutsche Sprache festgelegt, wohingegen ich bei Twitter mal so und mal so gepostet habe.

    Bei Twitter mache ich inzwischen immer weniger, weil die Plattform durch Musk ja leider wirklich in jeder Hinsicht schlimmer geworden ist. Sowohl technisch, aber auch ganz besonders was die Inhalte außerhalb meiner Bubble anbelangt. Da ich die Plattform in erster Linie als Quelle für Indie-Content nutze, erfüllt sie weiterhin ihren Zweck für mich, aber ich habe quasi täglich ein immer schlechteres Gewissen, weil ich dieses System gewissermaßen noch unterstütze.

    Ich hoffe ja noch immer, dass sich doch irgendwann einfach „meine Bubble“ eine eigene Instanz aufbaut, weil ich bislang nicht die optimale gefunden habe, aber das wird wohl nicht passieren. Eine echte Empfehlung kann ich also eigentlich nicht aussprechen, aber ich kann auf jeden Fall sagen, dass Mastodon lange nicht so kompliziert ist, wie oft behauptet wird.

    1. Ich bin mit Twitter noch nie so warm geworden. Alleine die Zeichenbegrenzung hat mich schon massiv gestört, dass ich dann doch lieber auf andere Dienste ausgewichen bin oder das Mikro-Blogging habe ganz sein lassen.
      Ich glaube mein Twitter-Account wurde auch irgendwann einmal gehackt.
      Was Musk betrifft, kann ich das nachvollziehen. Keine Ahnung, wie man so ein Unternehmen in so kürzester Zeit an die Wand fahren kann.

      Insgesamt bin ich mit Mastodon bisher ganz zufrieden. Um sich mit ein paar netten leuten auszutauschen reicht mir das vollkommen aus. Facebook nutze ich kaum noch und auf Instagram poste ich einmal ein Bild alle paar Monate. Das besteht meine „Bubble“ eh nur aus Familie, Freunden und ehemaligen Klassenkameradinnen und -kameraden.

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