In zwei Wochen ste­hen wir Rhein­land-Pfälz­er wieder vor der Qual der Wahl (sor­ry für den schlecht­en Wortwitz). Viele haben sich bere­its entsch­ieden, manche sind noch unschlüs­sig und viel zu viele wer­den wahrschein­lich eh nicht zur Wahl gehen. Ich will jet­zt hier keinen der im Netz üblichen Morala­pos­tel-Beiträge ver­fassen, in dem ich euch EURE Partei schlecht machen will. Oder euch stun­den­lang ins Gewis­sen reden, dass ihr doch bitte zur Wahl gehen soll­tet. Aber trotz­dem will ich dem ein oder anderen dazu ermuntern, seine Entschei­dung am 13.03.2016 genau zu bedenken.

Die Alternative für Deutschland

Und dabei sprech ich noch nicht mal nur, die 10–15% AfD-Wäh­ler an. Wählt ruhig die AfD. Wieso auch nicht? Ich halte rein gar nichts davon sofort jeden in die Nazi-Ecke zu stellen. Ich halte auch nichts davon, die Ansicht­en der AfD kleinzure­den oder zu ignori­eren, wie das CDU und SPD im Wahlkampf häu­fig getan haben.

Auszug aus dem Beitrag ‘Rechts oder doch Rechtsextrem’
“Die CDU ist kon­ser­v­a­tiv. Die AfD rechts. Die Front Nationale ist recht­sex­trem. *Schublade zu* Schön zu wis­sen, wenn man mor­gens auf­ste­ht und sofort weiß, wer die Guten und wer die Bösen sind. Dann hat der Tag Struk­tur. Und genau darum geht es meist in poli­tis­chen Beiträ­gen ser­iös­er Medi­en, wenn sie Parteien als rechts oder recht­sex­trem beze­ich­nen. Nicht um eine bloße, neu­trale Kat­e­gorisierung, damit sich der Leser bess­er zurechtfind­en kann. Es geht darum zu unter­stre­ichen, wie abgrundtief böse manche Parteien oder Poli­tik­er sind.” https://phinphins.de/2014/07/rechts-oder-doch-rechtsextrem/

Es ist zugegeben­er Maßen auch recht schwierig eine Partei zu find­en, die schlicht und ergreifend dage­gen ist, mil­lio­nen Flüchtlinge aufzunehmen. Die meis­ten anderen Parteien beto­nen ja immer, dass das mach­bar ist und das man das auch unbe­d­ingt machen sollte. Wer das anders sieht, wird erst ein mal eine Runde aus­ge­buht. Dann wird drüber disku­tiert, ob der­jenige ein Nazi ist oder nicht. Alle anderen kom­men dann zum Schluss, dass er zwar kein Nazi sein mag, aber seine Ansicht­en trotz­dem total scheiße sind und man nicht weit­er darüber disku­tieren sollte. Also, liebe AfD-Wäh­ler, wählt ruhig eure Partei. Wählt die AfD, wenn ihr nicht noch mehr Flüchtlinge aufnehmen wollt. Wenn ja son­st ange­blich nie­mand, “an die deutschen Hil­fs­bedürfti­gen denkt” und ihr der Ansicht seit, dass zu viel andere Kul­turen in Deutsch­land leben.

Aber…

… habt ihr euch denn schon mal mit den Wahl­pro­gram­men der AfD auseinan­der geset­zt? Wusstet ihr, dass die euren Min­dest­lohn abschaf­fen wollen? Dass die die Reichen- und Erb­schaftss­teuern her­ab­set­zen wollen und damit für “den kleinen Mann” noch weniger übrig bleibt? Weg von alter­na­tiv­en Energiequellen und stattdessen wieder hin zum Atom­müll oder zum Smog der Kohle und Öl-Indus­trie. Natür­lich klingt “direk­te Demokratie” toll. Aber ist sie das immer­noch, wenn 65% der Bun­des­bürg­er entschei­den, noch mehr Flüchtlinge aufnzunehmen anstatt die Gren­zen zu schließen? Ihr seid Fußball­fans größer­er Vere­ine? Super. Ratet mal wer ab sofort die Sta­di­en bezahlen darf?! Die Fußball­fans.  Ihr set­zt euch dafür ein, dass mehr Frauen in Wirtschaft und Wis­senschaft vertreten sind? Da habe ich schlechte Nachricht­en für euch.

Natür­lich ist nicht alles schlecht, was im Wahl­pro­gramm ste­ht. Aber wie in so jedem Wahl­pro­gramm, sollte man auch mal zwis­chen den Zeilen lesen: Die Zuwan­derung ein­schränken, aber gle­ichzeit­ig dafür sor­gen, dass genü­gend Rente übrig bleibt? Sofern sich die Deutschen näch­stes Jahr nicht plöt­zlich wie die Plat­twürmer aus Evo­lu­tion in zwei Hälften teilen kön­nen, wird das recht schwierig.

Das aus­führliche Wahl­pro­gramm der AfD RLP find­et ihr hier [Wahl­pro­gramm]

Die Grünen

Die Grü­nen waren für mich bis vor kurzem noch richtige Ide­al­is­ten. Der Schw­er­punkt lag natür­lich ein­deutig auf dem Umweltschutz. Der ist natür­lich auch sehr wichtig, sofern ihr keinen Bock habt, in einem Dreck­sloch zu wohnen. Ger­ade jet­zt wo ich Vater bin, bin ich unglaublich dankbar dafür im Som­mer mit mein­er Fam­i­lie in Grü­nan­la­gen spazieren gehen zu kön­nen. Bei uns in Worms gibts direkt vor der Haustür einen grü­nen Ring, der sich durch die halbe Stadt zieht und fast am Stadt­park (inklu­sive Tier­garten) endet. Wenn es da nicht genü­gen Leute gegeben hätte, die sich um genau sowas Gedanken gemacht hät­ten, dann wär die Som­merzeit für uns nur halb so schön. Deswe­gen finde ich es gut, wenn sich jemand über­wiegend für den Umweltschutz einsetzt.

Aber wie das bei Ide­al­is­ten so ist, schla­gen manche etwas über die Stränge. Natür­lich sind erneuer­bare Energien toll. Aber muss ich denn, sofern diese noch nicht ganz aus­gereift sind, von heute auf mor­gen entschei­den, dass wir ab sofort nur noch Win­dräder auf­stellen? Dass die mil­liar­den­teuren Atom­krafte sofort ihren Betrieb ein­stellen? (ja, ich weiß — das war eine CDU Frau, die das entsch­ieden hat) Kann man das nicht etwas langsamer ange­hen, um Kosten und Umgewöh­nung nicht ausufern zu lassen? Muss man denn in öffentlichen Kan­ti­nen, die es noch nicht mal geback­en bekom­men, gesun­des Essen auf den Tisch zu brin­gen, zwang­haft einen Veg­gie-Day einführen?

Auch hier hil­ft es natür­lich wieder zwis­chen den Zeilen zu lesen. Große Aufla­gen für Indus­trie und Wirtschaft. Aber gle­ichzeit­ig das Wirtschaftswach­s­tum fördern? Lebens­mit­tel noch teur­er machen, aber für soziale Gerechtigkeit plädieren. Bei vie­len Parteien hat man das Gefühl, Geld würde bei denen ein­fach so auf den Straßen liegen und man müsste es nur aufheben. 

“Ach, 2 Euro für einen Beu­tel Milch und 5 Euro für ein Schnitzel. Der Hartz IV-Empfänger wird das schon bezahlen kön­nen!“Ich selb­st — Phinphins.de

Auch hat es für mich keinen beson­ders guten Ein­druck gemacht, was die Spitzenkan­di­dat­en RLP vor eini­gen Tagen abge­zo­gen haben: Bish­er hat­ten die Grü­nen den Stand­punkt vertreten, dass man weit­er Flüchtlinge unbe­gren­zt ein­reisen lassen sollte. Dann gabs kurz vor der Wahl eine Pressekon­ferenz, in der die Spitzenkan­di­dat­en dann verkün­de­ten, doch Kontin­gente zu wollen. An dem Gedanken an sich ist nichts falsch. Aber so kurz vor der Wahl dann wirk­lich ele­mentare Ansicht­en umzus­toßen, wirkt sehr unpro­fes­sionell. Erst recht dann, wenn man kurz darauf erfährt, dass die restliche Partei von diesem Vorstoß nichts wusste.

  • Hin­ter­gründe zum neuen Pois­tion­spa­pi­er der Grü­nen find­et ihr Im Artikel des SWR [SWR]
  • Das aus­führliche Wahl­pro­gramm der Grü­nen find­et ihr hier [Wahl­pro­gramm]

CDU und SPD

Die kann man ruhig zusam­men nen­nen. Vielle­icht habe ich da einen sehr stark verz­er­rten Blick. Aber mir kommt es doch so vor als wür­den sich CDU und SPD immer stärk­er annäh­ern. Ger­ade jet­zt, wo Merkel über­raschen­der­weise eher den Linkskurs fährt. Das mag an der Per­son Merkel liegen. Vielle­icht liegts aber auch ein­fach daran, dass bei­de Parteien gar nicht mehr so unter­schiedlich in ihren Ansicht­en sind, wie sie es mal vor eini­gen Jahrzehn­ten noch waren.

Wie über­prüfe ich, ob mein Staat am Ende ist:
Ger­ade Protest­wäh­ler beto­nen ja immer wieder dass die CDU und SPD dieses Land in den let­zten 70 Jahren [sic!] zugrunde gerichtet haben. Ich mache dann immer fol­gen­des, um zu über­prüfen, ob das den Tat­sachen entspricht:

1. Ich schaue zum Fen­ster raus
2. Ich schaue in meinen Kühlschrank
3. Ich schaue in meinen Kleiderschrank
4. Ich schaue in meinen Bestel­lver­lauf bei Amazon.de
5. Ich stelle fest, dass es sich in einem zugrunde gerichteten Staat anscheinend ganz gut lebt.

Klar gibts noch genü­gend CDU und CSU Mit­glieder, die Merkels Kurs scharf kri­tisieren und eben nicht ein­er Mei­n­ung mit der SPD sind. Die Spitzenka­di­datin der CDU in RLP Julia Klöck­n­er ist zum Beispiel genau so jemand. Allerd­ings muss ich bei ihr sagen, dass mir das eher wie Wahlkampf­tak­tik vorkommt. Klöck­n­er dreht ihre Mei­n­ung näm­lich auch ab und zu wie ein Fäh­nchen im Wind. (die Grü­nen lassen grüßen)

Ich gehe auch stark davon aus, dass ger­ade bei SPD und CDU viele Stammwäh­ler sind, die sich eigentlich nicht wirk­lich mit den Parteipro­gram­men auseinan­der­set­zen, son­dern ein­fach ihre Partei wählen, weil sie die let­zten 20 Jahre auch nix anderes gewählt haben. Trotz­dem gibts natür­lich auch zwis­chen CDU und SPD unter­schiede im Wahl­pro­gramm. Die CDU ist gegen das Schreiben nach Gehör in Grund­schulen und möchte die Bur­ka sank­tion­ieren. Die SPD möchte die Gle­ich­stel­lung von Homo­sex­uellen in allen Bere­ichen und das Wahlal­ter absenken. Ein großer Teil der bei­den Wahl­pro­gramme liest sich allerd­ings gle­ich. Mehr KiTa-Per­son­al, mehr Polizei, ein biss­chen was für Stu­den­ten machen, ein biss­chen was für Arbeit­nehmer machen, etc. Die Unter­schiede liegen meist höch­stens im Detail.

Die Linke, die FDP und der ganze Rest

Ja, natür­lich gibts noch zahlre­iche andere Parteien. Und auch wenn ich denen wün­schen würde, dass Sie zumin­d­est über die 10% kom­men, glaube ich nicht, dass diese hier in RLP beson­ders viel Ein­fluss erhal­ten wer­den. Ger­ade der FDP würde ich es gön­nen. Denn aus deren Lager höre ich seit Monat­en die wenig­sten pop­ulis­tis­chen Parolen. Das ist ein­er­seits gut, weil das zeigt, dass viele von denen wis­sen, dass man schwierige Prob­leme nicht mit einem Einzeil­er lösen kann. Zum anderen sorgt das aber auch dafür, dass sie in Nachricht­en und Medi­en nur sel­ten mit ihren Ansicht­en vertreten sind.

Bei “Die Linke” bin ich immer sehr zwieges­pal­ten. Ich schätze ein­er­seits Poli­tik­er wie Gre­gor Gysi sehr hoch, weil er in der Lage ist, auch mal über den Teller­rand zu schauen. Ander­er­seits haben viele Linke Poli­tik­er für mich abso­lut verz­er­rte Ansicht­en, ger­ade was z.B. die Finanz- und Außen­poli­tik betrifft.

Trotz­dem soll­tet ihr euch natür­lich mit deren Wahlr­pro­gram­men auseinandersetzen:

Ergeb­nisse der Land­tagswahl 2011

Fazit

Ihr habt einen Großteil meines Artikels nun gele­sen und fragt euch sich­er: “Und jet­zt? Wen soll ich wählen? Was hat mir das jet­zt gebracht?!” Natür­lich will ich euch nicht erk­lären, wen ihr wählen sollt. Wie anfangs im Artikel geschrieben, wollte ich euch nur ans Herz leg­en, auch mal in die Wahl­pro­gramme reinzuschauen. Ger­ade bei den poli­tis­chen Diskus­sio­nen um die Flüchtling­shil­fe kommt es mir näm­lich oft so vor als wären die Leute so von ihrer Partei überzeugt, dass sie dabei ganz vergessen, dass jede Partei ihre Vor- und Nachteile hat. Die Über­partei, die alles richtig macht, gibt es hier ein­fach nicht.

Es ist wichtig, selb­st Pri­or­itäten zu set­zen. Der eine legt mehr wert auf kosten­lose KiTas, der andere hätte gerne mehr geset­zlichen Freiraum für sein Unternehmen. Genau deswe­gen sind solche Dinge wie der Wahl-O-Mat auch nur eingeschränkt zu empfehlen. Wenn ich total gegen die Gle­ich­stel­lung von Homo­sex­uellen bin, nützt es mir recht wenig die SPD oder die Grü­nen zu wählen, auch wenn die beim Wahlo­mat nach mein­er Eingabe auf 80% übere­in­stim­mung stehen.

Wahlomat RLP

Testest